0 61 51/59 93 01 info@amarayoga.de

Ramana Maharshi

Ramana Maharshi

Ramana Maharshi: * 30.12.1879 im indischen Tiruchuzhi – † 14.4.1950 in Tirvannamalai, Indien

Ramana Maharshi (= der Große Seher) zählt zu den bedeutendsten spirituellen Meister Indiens. Er vertrat die Advaita-Philosophie, nach der es nur ein Seinsprinzip gibt: das abolute oder göttliche Sein. Nach dieser Lehre ist die Welt, wie wir sie sehen, eine Illusion. Erkenne man sie aber als das absolute Brahman, so sei sie real.

„Wer bin ich?“ sei die entscheidende Frage, die sich jeder Mensch stellen solle, betont Maharshi immer wieder. Wer konsequent den Weg der Selbsterforschung (Self-Inquiry) gehe, erkenne früher oder später, dass das mit dem eigenen Körper identifizierte Ich eine Illusion sei. Hinter dem Ego-Selbst zeige sich dann das wirkliche Selbst im Herzen.

Maharshi lebte einfach und zurückgezogen in einem Ashram am Fuß des Heiligen Berges Arunachala. Nur selten empfing er Besucher, darunter Mahatma Gandhi und Yogananda. Die Weisheiten des Ramana Maharshi sind fast ausschließlich durch Gespräche überliefert und haben dennoch spirituelle Menschen aus aller Welt – auch außerhalb der Advaita-Philosophie und des Jnanayoga – inspiriert.

Acht Verse

1. Sieh, hier steht er als sei er empfindungslos. Geheimnisvoll ist sein Wirken, jenseits des menschlichen Verstehens. Bereits in Kindertagen ist die Unermesslichkeit des Arunachala in meinem Bewusstsein erstrahlt. Aber selbst als ich von jemandem erfuhr, er sei dasselbe wie Tiruvannamalai, habe ich seine Bedeutung noch nicht verstanden. Als er meinen Geist still machte, mich an sich zog und ich ihm nahe kam, sah ich, das er völlige Stille war.

2. Ich erforschte im Innern “Wer ist der Sehende?” und sah, wie der Sehende verschwand und erkannte Das, was ewig besteht. Der Gedanke „ich sah“ erhob sich nicht mehr. Wie konnte sich also der Gedanke „ich habe nicht gesehen“ erheben? Wer kann das alles mit Worten erklären, wenn selbst Du, Dakshinamurti, es in alten Zeiten nur durch Stille enthüllen konntest? Und um durch Stille Deinen transzendenten Zustand zu enthüllen, stehst Du jetzt als Berg da, der sich strahlend zum Himmel erhebt.

3. Wenn ich mich Dir nahe und Dich für eine Gestalt halte, stehst Du hier als Berg auf Erden. Wer Dich für formlos hält, aber dennoch sehen will, der ist wie einer, der um die ganze Erde reist, um den allgegenwärtigen und unsichtbaren Äther zu sehen. Wenn ich ohne Gedanken über Dein gestaltloses Sein meditiere, dann löst sich meine Gestalt (meine getrennte Identität) auf wie eine Zuckerpuppe, die ins Meer fällt. Wenn ich begreife, wer ich in Wirklichkeit bin, dann erkenne ich: Was bin ich getrennt von Dir, o Du, der Du als der mächtige Aruna-Berg (Berg der Morgenröte) dastehst?

4. Nach Gott zu suchen und Dich nicht zu beachten, der Du Sein und Bewusstsein bist, ist, als würde man mit einer Lampe in der Hand nach der Dunkelheit Ausschau halten. Nur weil Du Dich als Sein und Bewusstsein offenbaren willst, wohnst Du in verschiedener Gestalt in allen Religionen. Wenn die Menschen Dich, der Du Bewusstsein bist, trotzdem nicht erkennen, dann sind sie nicht besser als der Blinde, der die Sonne nicht kennt. O mächtiger Berg Aruna, einzigartiger Juwel, verweile und erstrahle als der Eine ohne ein Zweites, als das Selbst in meinem Herzen.

5. Wie die Schnur einer Halskette die Edelsteine zusammenhält, so durchdringst und verbindest Du alle Lebewesen und die verschiedenen Religionen. Wenn, wie bei einem Juwel, der geschliffen und poliert wird, der getrennte (individuelle) Geist auf dem Schleifstein des reinen, universellen Geistes geschliffen wird, erlangt er das Licht Deiner Gnade und erstrahlt wie ein Rubin, dessen Leuchtkraft durch kein anderes Objekt mehr getrübt wird. Ist einmal das Sonnenlicht auf eine lichtempfindliche Fotoplatte gefallen, kann sie dann noch andere Bilder aufnehmen? Kann ohne Dich, o strahlender und verheißungsvoller Aruna-Berg, irgendetwas existieren?

6. Du allein existierst, o Herz, Glanz des Bewusstseins. In Dir wohnt eine wundersame Kraft, die ohne Dich nicht existieren kann. Aus ihr (dieser Kraft der Manifestation) entsteht, zusammen mit dem Wahrnehmenden, eine Reihe subtiler, schattenhafter Gedanken. Sie werden inmitten des Wirbels des gegenwärtigen Schicksals (Prarabdha) vom reflektierten Licht des Geistes erhellt, erscheinen innen als das schattenhafte Schauspiel der Welt und werden außen als Welt sichtbar, die wir durch die fünf Sinne wahrnehmen wie ein Film, der durch eine Linse auf die Leinwand projiziert wird. Ob wir sie (die Gedanken) nun wahrnehmen oder nicht, sie existieren nicht getrennt von Dir, o Berg der Gnade.

7. Ohne den Ich-Gedanken kann es keine anderen Gedanken geben. Wenn andere Gedanken auftauchen, frage: „Wem kommen diese Gedanken? Mir. Wo entsteht dieses ‘Ich’?” Wenn man auf diese Weise nach innen taucht, die Quelle des Geistes aufspürt und das Herz erreicht, wird man zum höchsten Herrn des Universums. Dann gibt es kein Träumen mehr von Dingen wie innen und außen, richtig und falsch, Geburt und Tod, Freude und Leid, Licht und Dunkelheit, o grenzenloses Meer der Gnade und des Lichts, Arunachala, der Du den Tanz der Stille im Ballsaal des Herzens tanzt.

8. Wasser steigt vom Meer auf, wird zu Wolken und kommt als Regentropfen wieder herab. Es kann nicht zur Ruhe kommen, bis es, allen Hindernissen zum Trotz, wieder seine Heimat, das Meer erreicht hat. Die verkörperte Seele, die aus Dir kommt, mag eine Zeitlang ziellos umherwandern, wie es ihr beliebt, aber sie kann nicht rasten, bevor sie sich wieder mit Dir, ihrer Quelle, verbindet. Ein Vogel mag hierhin und dorthin in die Luft fliegen, kann aber nicht dort oben bleiben, sondern muss schließlich zurückkehren, um auf der Erde seinen Ruheplatz zu finden. So muss auch die Seele zu Dir zurückkehren, o Aruna-Berg, und sich wieder mit Dir allein vereinen, Du Meer der Seligkeit.